Was man sieht und was man nicht sieht: Einfuhrbeschränkungen

. 13.08.2004, Frédéric Bastiat (rt)

Monsieur Protektionist […] widmete seine Zeit und sein Kapital der Umwandlung vom Erz seiner Ländereien in Eisen. Da die Natur mit den Belgiern großzügiger gewesen war, verkauften sie Eisen an die Franzosen zu einem besseren Preis als Monsieur Protektionist, was bedeutete, dass alle Franzosen, oder Frankreich, eine gegebene Menge Eisen mit weniger Arbeit erhalten konnten, indem sie es von den ehrbaren Flamen kauften. Daher, geleitet durch ihr Eigeninteresse, ließen sie sich dies nicht zum Nachteil gereichen, und jeden Tag konnte man eine große Menge an Naglern, Metallarbeitern, Wagnern, Schmieden, und Pflügern sehen, die entweder selbst nach Belgien gingen oder Mittelmänner schickten, um sich mit zu Eisen versorgen. Dies missfiel Monsieur Protektionist sehr. Zunächst kam ihm die Idee, diesen Missbrauch eigenhändig zu beenden. […] Ich werde meinen Karabiner nehmen, sagte er sich, ich werde vier Pistolen in meinen Gürtel stecken, ich werde meine Patronentasche füllen, ich werde mein Schwert umbinden und so ausgerüstet werde ich zur Grenze gehen. Dort werde ich den ersten Metallarbeiter, Nagler, Schmied, Mechaniker oder Schlosser, der - seinen eigenen Nutzen und nicht den meinen suchend - daherkommt, umbringen. Das wird ihm eine Lehre sein!

Im Augenblick des Aufbruchs dachte Monsieur Protektionist noch einmal nach, was seinen kriegerischen Zorn etwas mäßigte. Er sagte sich: es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die Eisenkäufer - meine Landsleute und Feinde - mir das übel nehmen, und, anstatt sich selbst umbringen zu lassen, könnten sie mich umbringen. Außerdem, selbst wenn ich alle meine Bediensteten ausrücken ließe, könnten wir nicht alle Grenzübergänge bewachen. Schließlich würde mich das gesamte Unterfangen zu viel kosten, mehr als das Ergebnis wert sein würde.

Monsieur Protektionist war dabei, sich traurig damit abzufinden, bloß frei wie jeder andere zu sein, als er plötzlich eine brillante Idee hatte. Er erinnerte sich, dass es eine große Gesetzfabrik in Paris gab. Was ist ein Gesetz? sagte er sich. Es ist eine Maßnahme, an die - einmal verordnet, egal ob gut oder schlecht - sich jeder zu halten hat. Für die Umsetzung dieses Gesetzes wird eine öffentliche Polizeitruppe organisiert, und um die genannte öffentliche Polizeitruppe aufzustellen, werden Männer und Geld aus der Nation genommen.

Wenn ich es dann schaffe, von jener großen Pariser Fabrik ein nettes, kleines Gesetz zu bekommen, das besagt: "Belgisches Eisen ist verboten", werde ich das folgende Ergebnis erreichen: Die Regierung würde die wenigen Bediensteten, die ich zur Grenze schicken wollte, durch 20 000 Söhne meiner aufsässigen Metallarbeiter, Schlosser, Nagler, Schmiede, Handwerker, Mechaniker und Pflüger ersetzen. Dann würden, um diese 20 000 Zollbeamten bei guter Laune und Gesundheit zu halten, an sie 25 Millionen Francs verteilt, genommen von den selben Schmieden, Naglern, Handwerkern und Pflügern. So würde der Schutz besser erreicht; es würde mich nichts kosten; ich würde nicht der Brutalität der Trödler ausgesetzt; ich würde das Eisen zu meinem Preis verkaufen; und ich würde das süße Vergnügen genießen, unser großes Volk in schändlicher Weise hereingelegt zu sehen. Das würde ihnen austreiben, sich ständig als Vorläufer und Förderer jeden Fortschritts in Europa zu verkünden. Ach, welch kluger Zug und die Mühe des Versuchs wohl wert!

Also begab sich Monsieur Protektionist zur Gesetzfabrik. […] Er brachte den verehrten Gesetzgebern das folgende Argument vor:

"Belgisches Eisen wird in Frankreich um zehn Francs verkauft, was mich zwingt, meines um den selben Preis zu verkaufen. Ich würde es lieber um fünfzehn verkaufen und kann nicht wegen diesem verfluchten belgischen Eisen. Fabriziert ein Gesetz, das sagt: ‚Belgisches Eisen soll nicht länger nach Frankreich eindringen'. Sogleich werde ich meine Preise um fünf Franc erhöhen, mit den folgenden Konsequenzen:

"Für alle hundert Kilogramm Eisen, die ich der Öffentlichkeit liefere, werde ich statt zehn Francs fünfzehn bekommen; ich werde schneller reich werden; ich werde die Ausbeutung meiner Minen ausdehnen; ich werde mehr Männer beschäftigen. Meine Angestellten und ich werden mehr ausgeben, zum großen Vorteil unserer Zulieferer rundherum. Diese Zulieferer werden, indem sie einen größeren Markt haben, mehr Aufträge an die Industrie erteilen und schrittweise wird sich diese Aktivität über das gesamte Land ausbreiten. Dieses glückbringende Geldstück, das ihr in meine Schatulle fallen lässt, wird - wie ein Stein, der in einen See geworfen wird - zur weiten Ausbreitung einer unendlichen Zahl an konzentrischen Kreisen führen."

Fasziniert durch diese Ausführungen, begeistert zu hören, dass es so leicht ist, den Wohlstand des Volkes einfach durch Gesetzgebung zu erhöhen, stimmten die Gesetzesmacher für die Einfuhrbeschränkung. "Was soll all das Gerede über Arbeit und Sparen?" sagten sie. "Wozu all diese mühsamen Mittel, den nationalen Wohlstand zu erhöhen, wenn es eine Verordnung auch tut?"

Und, tatsächlich, das Gesetz hatte all die Auswirkungen, die Monsieur Protektionist vorhergesagt hatte, bloß hatte es auch andere; denn - um ihm gegenüber gerecht zu sein - er hatte nicht falsch gedacht, sondern unvollständig. Als er um ein Privileg bat, hatte er all die Auswirkungen angeführt, die man sieht, und ließ jene im Schatten, die man nicht sieht. Er hatte nur zwei Personen gezeigt, während eigentlich drei beteiligt sind. Es liegt an uns, diese Auslassung zu korrigieren, ob sie nun unfreiwillig oder vorsätzlich geschah.

Ja, das Geldstück, das per Gesetzgebung in die Schatulle von Monsieur Protektionist umgeleitet wurde, stellt einen Vorteil für ihn und jene, die deshalb Arbeit bekommen, dar. Und wenn die Verordnung das Geldstück vom Mond hätte kommen lassen, würden diese guten Auswirkungen nicht durch schlechte Auswirkungen ausgeglichen werden. Unglücklicherweise kam das geheimnisvollen Geldstück nicht vom Mond herab, sondern aus der Tasche eines Metallarbeiters, Naglers, Wagners, Schmieds, Pflügners, Baumeisters - kurz von einem Monsieur Gutmütig, der es heute zahlt, ohne ein Milligramm Eisen mehr zu erhalten als er für zehn Francs erhielt. Auf den ersten Blick sieht man, dass dies die Fragestellung ändert, denn der Profit von Monsieur Protektionist wird offensichtlich durch den Verlust von Monsieur Gutmütig ausgeglichen, und alles, was Monsieur Protektionist mit diesem Geldstück zur Anregung der heimischen Wirtschaft tun wird, hätte Monsieur Gutmütig auch tun können. Der Stein wird nur an einer Stelle in den See geworfen, weil an anderer Stelle gesetzlich verboten wurde, ihn hinein zu werfen.

Daher gleicht das, was man nicht sieht, das, was man sieht aus; und das Ergebnis der gesamten Aktion ist ein Unrecht, und - wie verwerflich! - ein per Gesetz begangenes Unrecht.

Das ist nicht alles. Ich sagte, eine dritte Person wurde ständig im Schatten belassen. Ich muss sie hier hervortreten lassen, damit sie uns den zweiten Verlust von fünf Franc enthüllen kann. Dann werden wir die Ergebnisse dieser Aktion in ihrer Gesamtheit haben.

Monsieur Gutmütig hat fünfzehn Franc - die Früchte seiner Arbeit. Wir befinden uns noch zum Zeitpunkt, da er frei war. Was tut er mit seinen fünfzehn Francs? Er kauft einen Modeartikel um zehn Francs und es ist mit diesem Produkt, dass er (oder sein Mittelsmann) für die hundert Kilogramm belgisches Eisen bezahlt. Monsieur Gutmütig bleiben noch fünf Francs. Er wirft sie nicht in den Fluss, sondern (und das ist was man nicht sieht) gibt sie irgendeinem Handwerker im Tausch gegen irgendeine Vergnügung - zum Beispiel einem Buchhändler für Discours sur l'Histoire universelle von Boussuet.

So hat er die heimische Wirtschaft angeregt mit der Summe von fünfzehn Francs, nämlich

  • 10 Francs für den Pariser Artikel;
  • 5 Francs für den Buchhändler.

Monsieur Gutmütig erhält für seine 15 Francs zwei Dinge, nämlich:

  1. 100 kg Eisen
  2. Ein Buch.

Es folgt die Verordnung.

Was passiert mit Monsieur Gutmütig? Was passiert mit der heimischen Wirtschaft?

Monsieur Gutmütig, der seine 15 Francs bis zum letzten Centime an Monsieur Protektionist für hundert Kilogramm Eisen abliefert, hat nun auch nichts mehr als diese hundert Kilogramm Eisen. Er verliert das Vergnügen eines Buches oder jeden anderen gleichwertigen Gegenstands. Er verliert fünf Francs. Man […] kann nichts anderes daraus schließen, als dass, da die Einfuhrbeschränkung die Preise erhöhte, der Konsument die Differenz verliert.

Aber, sagt man, die heimische Wirtschaft gewinnt sie.

Nein, sie gewinnt sie nicht; denn seit der Verordnung wird nicht mehr angeregt als es auch vorher der Fall war - im Ausmaß von 15 Francs. Bloß, seit der Verordnung, gehen die 15 Francs des Monsieur Gutmütig an die Metallurgie, während sie sich vor der Verordnung auf den Modeartikel und die Buchhandlung aufteilten.

Die Gewalt, die Monsieur Protektionist selbst an der Grenze ausübt oder jene, die er durch das Gesetz ausüben lässt, können aus moralischer Sicht ganz anders eingeschätzt werden. Es gibt Leute, die glauben, dass Raub all seine Unmoralität verliert wenn er nur gesetzlich ist. Was mich betrifft, ich könnte mir keinen verschärfenderen Umstand vorstellen. Wie auch immer es sei, eines ist sicher, die wirtschaftlichen Folgen sind die selben.

Halten Sie die Sache wie sie wollen, aber mit etwas Scharfsinn werden Sie sehen, dass nichts Gutes geschieht durch gesetzlichen und ungesetzlichen Raub. […]

Die Moral: Der Gebrauch von Gewalt ist nicht Produktion, sondern Zerstörung. Ach! Wenn Gewalttätigkeit Produktion wäre, wäre unser Frankreich viel reicher als es ist. rt

Erhältliche Werke von Frédéric Bastiat:


Protektionismus

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