Theorie der Perspektiven

George Boeree, PhD

Übersetzung Diana Wieser




Ich glaube, dass die Welt nur aus Qualitäten zusammengesetzt ist -- Farben, Temperaturen, Formen, Texturen, Bewegungen, Bilder, Empfindungen und so weiter.

Anders als die Materialisten, reduziere ich diese Qualitäten nicht auf Atome, Energien oder das "Physische". Für mich sind diese Atome nur Erklärungsmittel, die uns helfen, Dinge vorauszusagen und zu kontrollieren, insbesondere wenn wir nicht sehen können, was vorgeht. Doch ohne die Qualität, auf die sie verweisen, sind sie nichts.

Aber anders als Idealisten wie Bishop Berkeley, glaube ich nicht, dass all diese Qualitäten nur in Gegenwart des Geistes existieren – für einige Qualitäten mag das zutreffend sein, aber nicht für alle. Wenn im Wald ein Baum umstürzt, gibt es ein Geräusch, egal, ob es jemand hört oder nicht. Des weiteren glaube ich, dass es sehr viele Qualitäten gibt – vielleicht eine unendliche Anzahl – die wir nicht wahrnehmen und nicht wahrnehmen können. Zum Beispiel können einige Tiere Geräusche hören und Farben sehen, die wir nicht wahrnehmen können. Derartige Geräusche und Farben sind ebenso real und reichhaltig wie ein hohes C oder blau-grün.

Andererseits bezeichnen wir einige dieser Qualitäten als „Materie“ und andere als „Geist“. “Materie” umfasst die Qualitäten, die Form, Widerstand und besonders die Trennung vom Geist betonen. Die als “Geist” bezeichneten Qualitäten sind schwerer zu bestimmen, persönlicher, schwieriger mitzuteilen. Beide Gruppen von Qualitäten sind real, keine der anderen überlegen. Hinzu kommen Qualitäten von Zeit, Raum, Zahl, Kausalität und so weiter, die kaum in eine der beiden vorgenannten Kategorien passen.

Einige Qualitäten können miteinander in Interaktion treten und sich ineinander verwandeln, während andere Qualitäten stur von anderen getrennt bleiben. Es würde meiner Liebe zur Ganzheit entgegenkommen, wenn alle Qualitäten letztlich doch miteinander verbunden wären, doch ich betrachte das nicht als absolut notwendig.

Ich gehe davon aus, dass geistige Qualitäten später im Laufe der Geschichte des Universums entstanden sind als die dinglichen Qualitäten. Vermutlich sind sie aus den speziellen Organisationen des Dinglichen hervorgegangen, die wir als Leben bezeichnen. Doch dies verwirft die Realität geistiger Qualitäten nicht, desgleichen ist Wasser nicht weniger wert, weil man weiß, dass es auch Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt ist.

Meine "Metaphysik" führt geradewegs zu meiner "Epistemologie". Eine bewusste Einheit kann nur in einem kleinen Ausschnitt der umfassenden Realität bewusst sein. Sie wird von seiner Position im Raum begrenzt, von der Vielfalt seiner Sinnesorgane, von der Empfindsamkeit dieser Organe, von seinem Zugang zu seinen eigenen Prozessen und anderem mehr. Mit anderen Worten, jeder hat eine eigene Perspektive zu der Welt der Qualitäten. Meine "Epistemologie" nenne ich Perspektivität.

Eine Konsequenz der Perspektivität ist, dass der Kontrast zwischen Objektivität und Subjektivität nicht länger so furchtbar bedeutsam ist: Man kann letztlich nur eine Perspektive einnehmen, und obwohl einige Perspektiven zweifelsohne besser sind als andere, ist keine davon als die ultimative Perspektive geeignet.

Wenn man die Gesamtheit der Realität verstehen möchte, muss man alle möglichen Perspektiven zusammennehmen. Das ist natürlich unmöglich, somit können wir nur unser Bestes geben, um das Unendliche zu verstehen. Und damit wir uns dem Verstehen nähern können, müssen wir der Vielfalt der Perspektiven, denen wir begegnen, größten Respekt entgegenbringen, weil eben jede zu unserem Verständnis des Ganzen beitragen kann und wird.

Bewusstsein

 Um Bewusstsein zu erlangen,  muss ich von der Welt getrennt  und doch der Welt gegenüber offen sein;  ich muss in der Lage sein, die Welt zu ändern  und mich gleichfalls von ihr ändern lassen, während ich ein gewisses Maß an Integrität und Kontinuität beibehalte.

Und ich muss meine Integrität und Kontinuität wünschen.

Ohne dieses Verlangen, gehen die Qualitäten der Welt einfach durch mich hindurch, wie Informationen durch einen Computer. Nur das Verlangen macht diese Informationen relevant und bedeutungsvoll.

Was ersehne ich? Zunächst möchte ich mich selbst erhalten. Damit ist mehr als physisches Überleben gemeint; es geht hier um die Erhaltung der Integrität und Kontinuität meiner Differenzierung von der Welt und anderen Bewusstseinseinheiten. Also möchte ich mein Selbst erhalten.

Das Selbst ist keine einfache Angelegenheit. Es umschließt das Ego, also den Punkt, von dem aus wir die Welt erfahren, die begrenzende Perspektive, das "Ich". Es umschließt auch meinen Körper, das Objekt in der Welt "da draußen", die das Ego "trägt" und durch welche das Ego zu der Welt in Beziehung tritt. Und es umschließt auch meinen Geist, meine Fähigkeiten und Erinnerungen, der gesammelte "Nachlass" meiner Erfahrungen, mit denen das Ego zur Welt in Beziehung tritt. Wir wollen alle drei Dinge erhalten – Ego, Körper und Geist – obwohl dies mit Konflikten verbunden sein kann.

Zumindest bei höher entwickelten Tieren können wir auch von einem Selbst-Bewusstsein sprechen, nicht nur in dem Sinne, dass ein Tier sich zum Beispiel seiner Pfote bewusst ist, sondern in dem Sinne, dass wir uns selbst einen Platz in unserer Wahrnehmung der Welt geben. Es ist als müssten wir die Realität "durch" die Totalität dessen, wer wir sind, ansehen, Geist und Körper.

Und schließlich sind wir fähig, zu reflektieren. Als Objekt meiner Aufmerksamkeit kann ich nicht nur das nehmen, was "da draußen" ist, sondern auch die Prozesses meines eigenen Geistes. Vermutlich haben nur menschliche Wesen sowohl "unmittelbares Bewusstsein" als auch "reflektives Bewusstsein".

Unser Interesse für Integrität und Kontinuität setzt voraus, dass ich „innerhalb der Zeit“ bin, d.h. dass ich die Richtung der Ereignisse wahrnehme und sie beeinflusse. Dies wiederum setzt voraus, dass ich in der Lage bin, aus vergangener Erfahrung Nutzen zu ziehen, um mögliche Zukunftskonstellationen vorauszusehen. Die Fähigkeit, etwas vorauszusehen, setzt voraus, dass wir etwas wahrnehmen können, was nicht da ist – d.h. wir müssen uns etwas vorstellen können. Diese “zweite Sicht” ist auch die Wurzel des Erinnerns und Denkens, und sie gibt uns ein gewisses Maß von Unabhängigkeit von dem Strom der Ereignisse um uns herum.

Etwas vorausahnen zu können, bedeutet, dass wir Bedrohungen der Erhaltung von Integrität und Kontinuität voraussehen, sowie Reaktionen auf derartige Bedrohungen erwägen. Somit wünsche ich also nicht nur die Erhaltung, sondern auch die Bestärkung meines Selbst. Das Verlangen, die Integrität und Kontinuität des Selbst zu erhalten und zu bestärken, wird gemeinhin als Aktualisierung bezeichnet. Als ein mit Verlangen ausgestattetes Wesen, kann ich der Welt gegenüber nicht indifferent sein. Ich stehe zur Welt in einem leidenschaftlichen Verhältnis. Interaktionen, die meiner Aktualisierung entgegenstehen, nehme ich als Schmerz und Kummer negativ wahr. Interaktionen, die meine Aktualisierung unterstützen, nehme ich als Freude und Vergnügen positiv wahr. Die Intensität der Empfindung ist die Einheit des Relevanzmaßes, das die Interaktion für mich hat.

Mein Verständnis der Welt und meiner selbst wird fortlaufend von meinen Erwartungen und Handlungen auf die Probe gestellt. Wenn mein Verständnis inadäquat ist, empfinde ich Kummer und versuche, das Unangenehme durch weitere Antizipation und Handlung zu reparieren. Da diese Reaktionen mich zu einem adäquaten Verständnis führen, empfinde ich Freude.

Physischer Schmerz und Freude sind zyklische Zusammenbrüche und Wiederherstellungen der Integrität, welche Kummer und Vergnügen nachahmen. Sie verbessern zwar nicht das Verstehen an sich, doch sie können die Wirkung ansonsten kummervoller und vergnüglicher Ereignisse verstärken. Schmerz und Freude sind meine Erfahrungen der Erhaltung und Verstärkung, diese sind eher im Laufe der Evolution und nicht durch verfeinertes Bewusstsein entstanden.

Ironischer Weise sind Schmerz und Kummer Empfindungen, die auftreten, wenn unsere Bedürftigkeit am größten und unser Bewusstsein am klarsten ist. Wir empfinden Freude und Vergnügen, während wir ins Unbewusste gleiten! Wo keine Probleme oder auch nur Probleme, die gerade gelöst werden, sind, gibt es auch keine Emotion. Nur im Unbewussten wird die Differenzierung von Selbst und Welt vergessen, und für eine Weile sind wir wirklich in einem friedlichen Zustand. Doch wir sind nicht in der Lage, es zu genießen! Ohne Emotion kein Bewusstsein.

Meine Fähigkeit, Antizipationen zu leisten, erlaubt gewisse Emotionen, die von der unmittelbaren Situation nur einen Schritt entfernt sind. Sorge ist zum Beispiel die bekümmerte Erwartung von Kummer. Man kann auch Vergnügen vergnügt erwarten, was man ja nach den genauen Details als Hoffnung oder Eifer bezeichnen kann. Ärger ist Kummer, der durch die Erwartung gemäßigt wird, dass dieser Kummer durch unsere eigene Einwirkung auf die Welt umgewandelt werden könnte. Traurigkeit ist eine Art von Kummer, welche anerkennt, dass wir uns kontinuierlich bemühen müssen, uns selbst zu ändern. Und so weiter.

Vieles, was als inadäquat erlebt wird, ist bereits im Verstehensprozess eingeschlossen und verursachen daher keinen Kummer, sie erfordern keine Veränderung. Mit anderen geht man vermeidend oder mit anderen defensiven Manövern um. Doch Aktualisierung erfordert es letztlich, dass ich es nicht vermeide, mich mit meinen Unzulänglichkeiten auseinander zu setzen. Stattdessen sollte ich sogar aktiv nach ihnen suchen. Dies wiederum erfordert die Fähigkeit, Schmerz, Kummer und Angst zu durchleben, was gemeinhin als Wille bezeichnet wird.

Die Welt stellt dem Verstand eine endlose Auswahl potentieller Unterscheidungen zur Verfügung. Unsere Wünsche führen uns dahin, Unterschiede zu entdecken und Differenzierungen vorzunehmen. Unser Verstehen verbessert sich, während wir immer feinerer Unterscheidungen vornehmen müssen.

Wenn ich neue Differenzierungen aufnehme, bin ich mir ihrer Existenz bewusst. Sind sie aber erst einmal an ihrem Platz, werden sie zu unbewussten Bestandteilen. Erst wenn sie versagen, dringen sie wieder in mein Bewusstsein vor. Wenn ich mich zum Beispiel auf einen Stuhl setze, tue ich dies, ohne dem Vorgang bewusst Aufmerksamkeit zu schenken; gehe ich aber davon aus, dass dort ein Stuhl steht und da steht gar keiner, dann erst wird mir mein Verständnis im Zusammenhang von Stuhl und Hinsetzen bewusst. Differenzierungen sind mir auch dann bewusst, wenn ich sie in Abwesenheit der Welt oder ungeachtet der Welt verwende. In dem Fall erfahre ich sie als Erinnerungen, Gedanken, Bilder und so weiter.

Jeder Mensch hat eine eigene Perspektive zur und ein eigenes Verständnis von der Welt. Die Differenzierungen, die für dich bedeutsam sind, können für mich ohne Bedeutung sein. Und doch verweisen beide auf die selbe Realität. Deshalb sind wir letztlich in der Lage, einander zu verstehen.

Aktualisierung

Aktualisierung ist natürlicherweise telisch, d.h. vorausschauend. Wir "schauen nach vorne" auf eine kontinuierliche und verbesserte Existenz. Im alltäglichen Leben können wir sehen, dass unser Handeln auf Ziele und Zwecke hin orientiert ist. Wenn wir in unserer Aktivität innehalten, können wir die telische Natur unserer Motivation im antizipierten Bild sehen – etwas, das wir wünschen, ersehnen oder wonach wir streben, ist in diesem Bild präsent. Doch da Motivation meist telisch und nicht kausal ist, ist sie nicht notwendig; und etwas wie eine "Reaktion auf einen Stimulus" trifft nur auf ganz wenige Bereiche unseres Lebens zu!

Unsere körperliche Existenz zu aktualisieren, bedeutet, nach Nahrung zu suchen, nach Entspannung und Übung, die Flucht vor Schmerz und Irritation. Und durch einen Trick, der so alt ist wie das Leben, suchen wir Sex. Meist ist auch dies telischer Natur und hat nicht das Gewicht der Notwendigkeit – Dringlichkeit ja, aber nicht Notwendigkeit. Da der Körper jedoch sowohl "da draußen" als auch "hier drinnen" ist, gibt es Dinge, die uns unwiederbringlich überwältigen. Versuchen wir etwa, die Luft zu lange anzuhalten, werden wir wohl irgendwann ohnmächtig oder atmen wieder.

Den Geist oder das Verständnis zu aktualisieren, bedeutet, dass wir nach Bedeutsamkeit suchen, Verwirrung meiden und unser Verstehen durch eine energische Einstellung zu testen und zu verbessern versuchen – falls das Leben unsere Bestimmtheit nicht gelähmt hat und Passivität zu unserer neuen Überlebensstrategie geworden ist.

Wir versuchen auch durch andere Menschen Unterstützung und Verbesserung unseres Verständnisses zu erreichen. Die anderen sind für uns eine Quelle der Erfahrung, so dass wir nicht immer selbst alle Erfahrungen durchleben müssen; zudem bestätigen oder korrigieren andere unsere eigenes Verstehen. Mit ihnen bauen wir eine soziale Realität auf, auch dies ist keine Notwendigkeit, sondern erweitert unser Aktualisierungspotential.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass diese soziale Realität – obgleich sie als Mittel individueller Erhaltung und Verbesserung existiert – so unerlässlich und mächtig werden kann, dass das Individuum – freiwillig oder unfreiwillig – der Erhaltung oder Verbesserung der Gesellschaft geopfert werden kann!

Weil nun die Aktualisierung telisch ist, können wir mit mehr als nur einer konflikthaften Angelegenheit zugleich konfrontiert werden, von denen keine notwendig ist. Daher müssen wir eine Auswahl treffen.

Die meisten Dinge in dieser Welt haben eine Essenz – eine Natur, einen Plan, nach dem wir unser Leben ausrichten, ein "Programm", nach dem wir arbeiten. Felsbrocken sind, was sie sind. Tische sind zu bestimmten Zwecken erdacht. Waldmurmeltiere sind von Instinkten sowie Konditionierung geleitet. Eine Karriereberatung brauchen sie nicht. Menschen haben keine derartige Essenz. Oder treffender ausgedrückt, Menschen erschaffen im Laufe eines Lebens ihre eigene Essenz. Oder wir könnten sagen, dass ihre "Essenz" daraus besteht, frei von "Essenzen" zu sein.

Wir sind nicht wirklich frei in dem Sinne, dass wir alles bekommen, was wir möchten (wir können nicht einfach so fliegen). Wir können nur frei wählen, was wir möchten (zu fliegen versuchen oder eben nicht). Wir wählen auch aus, welche Bedeutung wir den Dingen zuschreiben. Wir wählen unsere Einstellung den Dingen gegenüber. Wenn wir erst den Willen haben, etwas zu tun, geht es über unseren Willen hinaus und wird zum Subjekt derselben Naturgesetze, die auch alles andere ändern. Unsere Freiheit ist in Determinismus eingebettet. Damit sind wir (bedeutend) begrenzt im Hinblick auf unsere Macht.

Wir wählen auf der Grundlage unseres Verständnisses (der Situation, der Welt allgemein, von uns selbst und der Natur der Aktualisierung). Leider ist dieses Verständnis immer unvollständig. Und somit ist auch unser Verstehen (bedeutend) begrenzt.

Dennoch müssen wir handeln und folglich wählen. Auch nicht zu wählen oder nicht zu handeln, ist in sich bereits eine Auswahl und eine Handlung. Somit müssen wir trotz unserer Machtlosigkeit und Unwissenheit auswählen und handeln. Doch der Kummer, der aus konflikthaften Auswahlmöglichkeiten hervorgeht, – die Schwierigkeiten der Freiheit – kann dazu führen, dass wir das Auswählen so weit wie möglich vermeiden, indem wir uns auf autoritäre Sozialstrukturen einlassen, auf Massenkulturen oder zwanghafte Persönlichkeitsstrukturen (die wir später noch diskutieren werden).

Es gibt endlos viele Beispiele solcher Konflikte: Was jetzt für mich gut zu sein scheint, mag auf Dauer gesehen nicht mehr gut sein; was aus einer bestimmten Perspektive betrachtet gut für mich sein kann, kann aus einer anderen Perspektive nicht gut sein; was biologisch gut für mich ist, kann psychologisch weniger gut sein und umgekehrt; was für mich gut ist, kann für dich nicht gut sein und damit wiederum nicht gut für mich; was für dich gut ist (und damit auch für mich), mag für jemand anderen (und damit auch für mich) nicht gut sein; und so weiter.

Es kann sogar vorkommen, dass wir mit der Entscheidung konfrontiert sind, die antizipierte Degeneration des Selbst (Körper oder Geist) aufgrund einer Krankheit zuzulassen und unserem Leben freiwillig ein Ende setzen. Wir können zu der Auffassung gelangen, dass "innehalten" der Aktualisierung näher kommt, als kontinuierliche schmerzhafte "Rückzüge".

Und obwohl meine speziellen Wünsche letztlich nur dem Wunsch folgen, mein Selbst zu erhalten und zu verbessern, lebe ich dennoch mit der Gewissheit, dass ich trotz all meiner Bemühungen sterben werde. Meine Existenz ist (wesentlich!) begrenzt.

Im negativen Sinne, bin ich motiviert, alles zu vermeiden, was meine Aufmerksamkeit auf diese ultimative Barriere der Aktualisierung lenkt, d.h. der Tod anderer, meine eigene und die Krankheit anderer, Leiden, physische, soziale und geistige Erkrankungen, sogar Schmutz und Verfall, alles, was nur auf Degeneration hinweist. Der Kummer, der aus derartigen Dingen hervorgeht, kann durch das Bewusstsein meiner eigenen Sterblichkeit intensiviert werden.

Im positiven Sinne bin ich bemüht, einen Weg zu finden, den Tod zu transzendentieren (wie ich auch versuche, all meine Begrenzungen zu transzendentieren), indem ich Kinder aufziehe und erziehe, indem ich andere liebe, mich mit einer Gemeinschaft identifiziere, oder durch Kunst, Erfindung, Kreativität im Allgemeinen sowie durch Philosophie.

Indem wir unser Verständnis des Selbst verändern, ändern wir auch die Relevanz des Todes zum Selbst. Ob dies wirklich Transzendenz oder letztlich nur eine defensive Lüge ist, ist wiederum eine Frage der Perspektive.

Konstruierte Realitäten

Bevor sie wahrgenommen wird, ist die Welt eine unendliche Sammlung von Qualitäten. Es obliegt dem Wahrnehmenden, diese Qualitäten voneinander zu unterscheiden. Dieser Differenzierungsprozess wird von Verlangen getrieben (Relevanz, Bedürfnis, Bedeutung ...). Ich weise darauf hin, dass der Wahrnehmende nicht die Realität an sich "konstruiert"; vielmehr konstruiert er ein Verständnis der Realität, ein Model oder eine Theorie, die Wahrnehmung und Verhalten leitet. Die Realität alleine bestimmt auch nicht die Wahrnehmungen und Verhaltensweisen, sondern vielmehr die Realität, wie sie "“durch" unser Verstehen erfahren wird.

Wir gehen davon aus, dass Tiere in einer wahrgenommenen Realität leben, die nur durch Instinkt und individuelle Erfahrung vermittelt wird. Die Differenzierungen, die sie haben oder entwickeln, bleiben nah an den natürlichen "Fehlerlinien" nicht-wahrgenommener Realität, d.h. was ein Tier sieht, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ähnlich dem, was ein anderes Tier der Spezies mit derselben Erfahrung wahrnimmt. Diese nicht-konstruierte unmittelbare Realität ist auch das, was Kleinkinder erleben – etwas, das wir alle ab und zu erleben, wenn wir vollkommen in etwas vertieft sind.

Erwachsene hingegen sind einerseits meist Wesen der Symbole, der Sprache und Kultur. Wir haben zwar Instinkte und sicherlich auch unsere eigenen einzigartigen Erfahrungen, doch wir lernen auch von den Erfahrungen anderer (oder sogar dem Spleen anderer), die durch Sprache und andere Symbole, Artefakte und Techniken mitgeteilt werden.

Lassen Sie uns zusammenfassen: Bilder sind Antizipationen, die vorübergehend von ihren Referenten in der wirklichen Welt losgelöst sind – Wahrnehmungen ohne ihre Objekte. Wenn wir uns Dinge vorstellen (fantasieren, denken ...), nutzen wir diese "lockeren" Antizipationen, als wären sie real. Wir erleben die gleichen Probleme und Problemlösungen mit dem gleichen Kummer und dem gleichen Vergnügen, das wir auch in der vollen Interaktion mit der Welt erleben.

Symbole sind Ereignisse, die an Bilder gekoppelt werden. Diese Symbole erlauben es uns, Bilder (und Fantasien und Gedanken ...) in Form des Sprechens und Schreibens, in Form von Kunst und so weiter außerhalb unseres Geistes zu "projizieren". Dann können wir unsere mentalen Bilder anderen mitteilen, die unsere Symbole teilen.

Diese Symbole selbst können in unserem Geist als Bilder gespeichert werden, so dass wir sie manipulieren können wie andere Bilder. Nun sind wir quasi gleich dreifach von der unmittelbaren Erfahrung entfernt! Das ist es, was meist als Gedanken im striktesten Sinne bezeichnet wird, d.h. die internale Manipulation von Symbolen.

Wenn Regeln zur Manipulation von Symbolen mit einem anderen Satz von Symbolen kombiniert werden, haben wir eine Sprache. Wir kommunizieren in dem Maße, wie wir diese Symbole und Regeln teilen, letztlich bedeutet das, dass wir Differenzierungen teilen. Das ist die Essenz von Kultur: geteilte Differenzierungen – geteiltes Verständnis der Realität – wie sie in gemeinsamen Symbolen reflektiert werden.

Diese Fähigkeit beschert uns einen riesigen Vorteil: Ein Individuum muss nicht all das entdecken, was andere zuvor bereits herausgefunden haben. Zusätzlich können bei sozialen Geschöpfen (die die Gegenwart anderer nicht nur genießen, sondern sogar benötigen) die sehr realen und unmittelbaren Bedürfnisse anderer effizient mitgeteilt werden, statt dass man sie nur vage erahnen oder erraten müsste. Des weiteren sind Worte (und Symbole generell) nicht in der Weise and die Realität gebunden wie antizipierte Bilder. Sie können manipuliert, verschoben und rekombiniert werden.... Sie sind unser mächtigstes Handwerkszeug im Bezug auf Kreativität.

Doch es gibt hier auch eine negative Seite: Da Worte und Symbole von der Realität relativ unabhängig sind, können sie leicht ein Eigenleben entwickeln. Differenzierungen und komplexe Systeme von Differenzierungen, die früher einmal eine Bedeutung gehabt haben können (oder auch nicht), werden dem sich entwickelnden Kind mitgeteilt, als ob sie direkt eine Realität repräsentierten. Ich bezeichne dies als konstruierte Realität, da sie aus einer Realität jenseits der Wahrnehmung erzeugt, statt aus Erfahrungen "gewachsen" ist . Wir könnten sagen, es handelt sich um Fiktion oder einen Mythos, sie kann hilfreicher oder destruktiver Natur sein.

Die wichtigste konstruierte Realität ist die soziale Realität selbst. Wir erschaffen diese soziale Realität aus dem Stoff, den wir von unserer Kultur erhalten, durch Eltern, Lehrer, Peers, Medien etc. Die soziale Realität jedes Individuums ist anders, und doch sind unsere sozialen Realitäten ähnlich und bestätigen sich gegenseitig bis zu dem Grad, dass wir gemeinsame kulturelle Traditionen haben, was bedeutet, dass wir symbolische Differenzierungen teilen. Wenn wir nun soziokulturelle Traditionen teilen, sind wir quasi alle "aus demselben Holz geschnitzt".

Diese sozialen Realitäten sind Fiktionen, die sich über Generationen hinweg gesellschaftlich entwickelt haben, weil sie das glatte Funktionieren der Gesellschaft unterstützen. Sie überleben auf dieselbe Weise, wie auch physische Charakteristika und Instinkte überleben, und auch aus denselben Gründen. Wir könnten sogar von kulturellen Genen sprechen, wie manche es auch getan haben. Und doch handelt es sich um Fiktionen, erschaffen, nicht "geboren" und nur lose an die tiefere Realität gebunden. So lange sie eher hilfreich und nicht etwa hinderlich sind, und sich der tieferen Realität nicht zu oft annähern, können sie überleben und blühen!

Leider neigen wir dazu, diese Strukturen zu bestätigen, ihnen ein Eigenleben zuzugestehen. Wir können sie sogar als realer betrachten, als die Erfahrungen, die sie repräsentieren. Sie können auch wie Straßensperren für zukünftige Aktualisierungen wirken, statt als Hilfe. Sie können dazu verwendet werden, die Realität zu erklären, statt zur praktischen Kommunikation zu dienen. E= mc2 wird so zum Gesetz des Universums statt eine abgekürzte Beschreibung eines sich wiederholenden Musters. "Gott" wird zu einer allmächtigen Einheit jenseits und hinter der Welt, die zu erklären er erfunden wurde. Ein Mensch ist neurotisch, introvertiert, self-actualizing, etc., statt bekümmert, zurückhaltend oder kreativ. Und so weiter und so weiter.

Dies alles führt uns zu einer sehr starken Schlussfolgerung: Zumeist sind Religionen Fiktionen; Regierungen sind Fiktionen; Ökonomien sind Fiktionen; Philosophien sind Fiktionen; Wissenschaften sind Fiktionen; Künste sind Fiktionen; Gesellschaften sind Fiktionen; all diese "ismen" – Kapitalismus, Sozialismus, Rassismus, Humanismus, Sexismus, Feminismus... sind Fiktionen.

Es sind Worte mit wenigen Referenten. Eine erwachsene, intelligente Person kann mit diesen Worten umgehen und sie als Annehmlichkeiten zur Kommunikation verwenden. Leider können die meisten Menschen das nicht.

Das Unauthentische : Konventionalität

In der Menschheitsgeschichte hat sich die große Mehrheit der Menschen einfach und umfassend in die soziale Realität “eingekauft”. Insoweit als jede ethnische Gruppe weitgehend isoliert war, ist die soziale Realität die einzige Realität gewesen, die die Menschen kannten, und sie diente ihren Zwecken sehr gut. Bei größeren traditionellen Gesellschaften war es ähnlich: Wohin man auch sah, trafen oft dieselben Standards zu. Nur in den Randgebieten der Gesellschaft gab es Menschen, die anderen Regeln folgten, und man konnte effektiv mit ihnen umgehen, indem man sie als Barbaren bezeichnete – als Schwätzer, die nicht wussten, was recht ist -- oder indem man sie gar nicht erst als Menschen wahrnahm.

In unserer eigenen Gesellschaft ist es zusehends schwieriger geworden, diese Fiktion aufrecht zu erhalten. Wir reisen und kommunizieren rund um die Welt. Auch in unseren Städten gibt es Menschen, die anders sind, doch wir betrachten sie trotzdem als Menschen und nicht als "Schwätzer". Dennoch können die reichen und komplexen Realitäten, mit denen wir aufgewachsen sind, nicht so einfach aufgegeben werden, nicht einmal angesichts dieser Beweise. Wir verteidigen unsere Annahmen, indem wir für gewöhnlich die Konventionalitäten unserer sozialen Realitäten noch mehr betonen. Wir nehmen es mit den Regeln sehr genau. Wir werden konventionell.

Auf den ersten Blick mag eine derart konventionelle Person, die sich so intensiv um soziale Formen bemüht, moralischer erscheinen als die meisten, jemand mit einem gut entwickelten Überich. Doch im Grunde geht es dieser Person nur um die Form, nicht um die Menschen, ihre Schmerzen und Sorgen. Wirkliches Mitgefühl ist, wenn man im Gesicht des anderen nichts als seine oder ihre Menschlichkeit sieht. Die konventionelle Person sieht nur soziale Pflichten.

Neurose

Manchmal, wenn die Menschen sich der Gegenstandslosigkeit sozialer Realität erstmals bewusst werden, geraten sie in Panik. Wenn man in der sozialen Realität nach Bedeutung sucht, ist es, als suche man den Kern einer Zwiebel: man schält und schält, und findet nichts! Diese Panik bezeichne ich als neurotische Angst, sie tritt auf, wann immer die soziale Realität bedroht ist.

Jemand, der an einer Sozialphobie leidet, fürchtet zum Beispiel, dass er oder sie die Standards der Gesellschaft nicht erfüllen, den Erwartungen anderer nicht gerecht werden kann. Eine gesunde Person wird nach erlebten Peinlichkeiten einfach weitermachen. Doch für Neurotiker gibt es jenseits der sozialen Formen keine Existenz, er fürchtet den Verlust der gesamten Realität.

Diese Furcht vor "nichts" findet man auch in unserer Furcht vor Krankheit und Tod sowie in den Befürchtungen, die entlang der ungenauen Grenzen, zwischen dem, was lebt und dem, was nicht lebt, entstehen, wie zum Beispiel die Furcht vor Insekten, Schlangen, den Toten, mechanischen Geräten und so weiter.

Einige Beispiele neurotischen Verhaltens – Obsessionen, Zwänge, Amnesien und Konversionserkrankungen – sind am besten als die letzten Bemühungen einer konventionellen Person zu verstehen, die neurotische Angst im Zaum zu halten. Diese Symptome sind Auswüchse der rigiden Strukturen des Perfektionisten und der Hingabe eines Autoritären an Regeln und Sanktionen, wenn diese Konstruktionen bedroht sind.

Wir können die neurotische Angst auch zur Erklärung von Depression heranziehen: Hier erlebt die Person eine emotionale Erschöpfung, die daraus resultiert, dass fortgesetzt um die Erhaltung der eigenen sozialen Realität im direkten Konflikt mit der eigenen Erfahrung gekämpft worden war. Statt sinnlos zu versuchen, sich an die sozialen Normen anzupassen, wäre es für diese Person hilfreicher, wenn sie endlich das tun würde, was ihre Erfahrung ihr sagt, denn dies ist weit näher an der Realität, als die Gesellschaft. Natürlich wird die Gesellschaft sich gegen sie wenden, wenn sie es versucht – es gibt also Schwierigkeiten! Und doch dämmert ihr die Gewissheit, dass die soziale Realität illusorisch ist, daraus kann man wiederum im Bezug auf depressive Menschen einigen Optimismus ziehen!

Im Grunde ist das Leben mehr wie ein Pfirsich, statt wie eine Zwiebel: Es hat einen harten Kern. Dieser Kern ist die Wirklichkeit unmittelbarer individueller Erfahrung. Und obwohl diese Wirklichkeit nur einen kleinen Ausschnitt der ultimativen oder totalen Realität darstellt, ist sie keine Fiktion, sondern ein Stück der Wahrheit. Der Sonnenaufgang etwa, die Zahnschmerzen, die Berührung des geliebten Menschen, die Furcht und die Wut, die Traurigkeit und die Freude. Das ist das Leben hier und jetzt. Das Leben abseits der Worte. Es ist auch der Grund, warum die meisten mystischen Traditionen betonen, dass Worte dich nur von der Wahrheit entfernen!

Psychose

Manche Menschen erleben etwas, das ihre soziale Realität vollständig “zerbrechen” lässt. Wenn man bedeutende Ressourcen hat – Intelligenz, hilfreiche Erziehung, Selbstvertrauen oder was auch immer – können derartige Erfahrungen eine Erleuchtung sein. Für Menschen mit wenigen Ressourcen – also Menschen, deren Weltverständnis nicht gut entwickelt ist – kann sich eine solche Erfahrung destruktiv auf ihre psychologische Integrität auswirken. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als nach allem zu greifen, was ihnen im Fluss der Ereignisse einen Halt gibt: kleine Schnipsel persönlicher Erfahrung, sozialer Realität und Fantasie werden zusammengesetzt und als Substitut für wirkliches Verstehen verwendet. Das ist Psychose: in einer zweiten Art konstruierter Realität zu leben, die ich als idiosynkratische Realität bezeichne.

Jemand mit einer Psychose lebt in einer Welt der Worte und Ideen, die, anders als bei konventionellen und neurotischen Menschen, nicht wirklich gut mit der Erfahrung zusammenpasst. Anders als konventionelle oder neurotische Menschen aber hat ein psychotischer Mensch keine Gemeinschaft Gleichgesinnter zur Verfügung, die ihn ermutigten, wenn diese Fiktionen bedroht sind. Er oder sie ist völlig allein und wird durch die Angst vor Leere weiter in dieser Einsamkeit gehalten.

Ich weise darauf hin, dass wir alle unsere idiosynkratischen Wirklichkeiten haben: Jeder von uns hat eine andere Version sozialer Realität. Jeder von uns hat Erfahrungen gemacht, die uns nicht wirklich zur Realität führen, und doch haben sie eine solche Wirkung auf uns, dass wir sie nicht einfach verwerfen können, wie es bei Kindheitstraumen vorkommen kann. Die meisten von uns aber sind sich in gewissen Maße bewusst, inwiefern wir uns von anderen unterscheiden, entweder stempeln wir diese Unterschiede als unsere psychologischen Mängel ab oder als besondere Tugenden, während wir eine essentielle Kommunikation mit anderen Menschen aufrecht erhalten, die einen Großteil unserer sozialen Realität teilen. Ein psychotischer Mensch hat dies aufgegeben.

Inzwischen ist deutlich geworden, dass zumindest ein Aspekt geistiger Gesundheit darin besteht, dass wir die soziale Realität (ebenso wie die idiosynkratische Realität) als das sehen, was sie ist, so mit ihr umgehen, wie es angebracht ist, und dennoch in engem Kontakt mit der unmittelbaren (nicht konstruierten) Realität bleiben. Nicht konventionell, ist ein geistig gesunder Mensch über die neurotische Angst hinausgelangt, ohne in die tieferen Illusionen der idiosynkratischen konstruierten Realität der Psychose zu fallen.

Psychologische Variabeln

Obwohl es in der Theorie der Perspektiven um das Psychologische geht, heißt das nicht, dass das Biologische ignoriert wird.

Gewisse Neigungen spielen bei Neurose und Psychose mit Sicherheit eine Rolle. Manche von uns sind mit Temperamenten geboren, die uns nervös und leicht erregbar machen. Andere haben ihr ganzes Leben lang Schwierigkeiten damit, Freude zu empfinden. Wieder andere haben Schwierigkeiten, Fantasie und Realität zu trennen. Anders ausgedrückt haben wir vielleicht verschiedene "Hardwareprobleme", die das Auftreten gewisser "Softwareprobleme" wahrscheinlicher machen. Es gibt unwiderlegbare Hinweise dafür, dass Schizophrenie, Depression und besonders obsessiv-zwanghafte Erkrankungen genetische und physiologische Komponenten aufweisen.

Dennoch muss man davon ausgehen, dass diese Erkrankungen trotzdem psychologische Erkrankungen sind: Abgesehen davon dass Geisteskrankheit ihre Bühne im persönlichen Bewusstsein hat, gibt es Beweise dafür, dass auch Umweltfaktoren für die Entwicklung von Neurose und Psychose essentiell sind. Es ist wichtig, dass wir uns vergegenwärtigen, dass einige Menschen, die mit einer physiologischen Neigung zu gewissen Problemen, in einer Umwelt aufwachsen, die sie gesund erhält, andere hingegen sind physiologisch gesund und erliegen dann überwältigenden extremen Umweltbedingungen.

Authentizität

Drei Charaktereigenschaften helfen uns bei der Aktualisierung: Bewusstsein, Freiheit und Mitgefühl.

Bewusstsein

Damit meine ich nicht nur das Bewusstsein an sich, sondern eine besondere Kapazität für umfassendes Bewusstsein, offen zu sein für alles Verfügbare und fähig, das Unmittelbare vom Konstruierten zu unterscheiden. Bewusstsein zu haben, bedeutet nicht, soziale oder persönliche Konstruktionen oder die Verwendung von Symbolen oder Worten zu meiden – sondern diese Dinge als das zu sehen, was sie wirklich sind, und angemessenen Gebrauch davon zu machen. Umgekehrt bedeutet Bewusstsein, eine besondere Kapazität für das umfassende und klare Erfahren unmittelbarer Realität.

Bewusstsein bedeutet auch Gegenwart, also "in-der-Gegenwart-Sein", die Fähigkeit, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, sowie die Vergangenheit zu verstehen, ob in Form von Erinnerungen oder Informationen zweiter Hand. Des weiteren bedeutet es, die Zukunft in Form von Hoffnungen und Absichten zu verstehen, Zukunft als eine von der Gegenwart verschiedene Qualität zu sehen. Das bedeutet wiederum nicht, dass die mit Bewusstsein ausgestattete Person Erinnerungen meiden, Verantwortungen verweigern, Fantasien unterdrücken müsste und so fort. Vielmehr muss sie sich der Vergangenheit und der Zukunft als solchen bewusst sein, doch ohne sie mit der unmittelbaren Wirklichkeit zu vermischen.

Bewusstsein bedeutet auch, sich sowohl der "objektiven" als auch der "subjektiven" Seite der Dinge bewusst zu sein, im Hinblick auf die Welt und das Selbst. Es bedeutet, sich seiner Empfindungen, Bedürfnisse, Werte, Einstellungen und Wünsche bewusst zu sein. Menschen, die viel auf ihren "“Realismus" und ihre "Logik" halten, gehen oft davon aus, andere Menschen hätten Schwierigkeiten, das Wirkliche zu erkennen, und in manchen Fällen mag das zutreffen. Doch logische und realistische Menschen neigen dazu, den Wert internaler – d.h. "nicht-objektiver" – Ereignisse schlecht zu machen. Folglich sind sie sich nicht über den Wert der Dinge im Klaren, denn alles, dessen wir uns bewusst sind, hat im Grunde per definitionem einen (positiven oder negativen) Wert.

Alle von uns haben bereits diese unmittelbare Wirklichkeit erfahren. Wir tun dies jeden Tag, wenn auch nur flüchtig. Als wir noch Kleinkinder waren, geschah dies umfassenderer, da wir damals noch keine Schichten konstruierter Wirklichkeit hatten. Als Kinder und Erwachsene erfahren wir noch immer die unmittelbare Wirklichkeit, während wir vollkommen in eine Tätigkeit versunken sind. Wenn Kinder zum Beispiel malen und ihre Zungenspitze aus dem Mundwinkel hervorschaut, dann befinden sie sich im unmittelbaren Bewusstsein. Ähnlich ist es bei Menschen, die sich in die Musik vertiefen, ins Musizieren, in das Fliegen eines Flugzeugs, ins Bergsteigen, ins Spielen oder in einen guten Film, ein gutes Buch, in ein Stück handwerklichen Könnens, in die Liebe und so weiter und so weiter. Ein bewusster Mensch findet sich öfter in diesen Zuständen wieder als andere, und versucht sogar, in diese Zustände zu gelangen!

Es gibt Techniken, die uns dabei helfen, Bewusstsein herzustellen. Eine ist die Meditation. Es gibt unzählige Meditationsformen, doch eine ist ein hervorragendes Beispiel für das, was ich hier zu erläutern habe, nämlich die Mindfulness, wie sie von buddhistischen Mönchen und Nonnen praktiziert wird. Bei der Mindfulness Meditation bemüht man sich, jedes Ereignis, ob internal oder external, "schlicht" zu erleben, ohne jegliche Bindung dazu aufzunehmen, d.h. ohne die Haltung zu verlieren, dass man darauf vorbereitet ist, jedes Ereignis ohne Bindung zu erfahren! Mit anderen Worten hörst du den Wasserhahn tropfen, oder die Uhr ticken, lässt jedem Geräusch seinen Moment, und dann lässt du es ins Nichts abdriften.

Desgleichen denkst du einen Gedanken oder stellst dir dein Vorstellen vor, ohne darin völlig aufzugehen. Du lässt einen Gedanken herein und wieder hinaus, du schaust nur dabei zu, wie er kommt und geht. Zu Beginn kannst du dir vorstellen, dass du eine ovale Oberfläche bist, auf der bestimmte Ereignisse stattfinden. Irgendwann verschwindet diese Oberfläche – und damit auch "du". Dies ist vielleicht die Schlüsseleigenschaft unmittelbarer Erfahrung: die Abwesenheit von "Selbst-Bewusstsein". Der Fokus liegt auf der Erfahrung, nicht dem Erfahrenden.

Eine weitere Technik zur Erhöhung des Bewusstseins ist die phänomenologische Beschreibung. Während man umfassend und akkurat zu beschreiben versucht, was "da" ist, egal ob es sich um ein physisches Ereignis oder einen Geisteszustand handelt, und dabei auf jeglichen Kommentar oder Erklärungsversuche verzichtet, lernt man, klarer zu "sehen".

Ich gehe davon aus, dass die Menschen am dringendsten von der Dominanz ihrer sozialen Konstruktionen befreit werden müssen, was nur dadurch geschehen kann, dass sie lernen, diese Konstruktionen als das zu betrachten, was sie sind. Am besten geht das, indem man soziale Konstruktionen – oder idiosynkratische Konstruktionen – erfährt, die von den eigenen verschieden sind. Die Erfahrungen mit anderen Kulturen und einzigartigen Individuen, wenn auch nur in Form von Kunst und Literatur, zwingen uns dazu, die eigenen Annahmen zu überdenken: Sind sie was sie sind, oder sind sie das Ergebnis unserer Konstruktionen?

Freiheit

Das Vorhergehende führt uns zum nächsten Thema, zur Freiheit: Wenn man sich der Perspektiven bewusst wird, die von der eigenen verschieden sind, wird man von der eigenen Perspektive befreit. Du bist nicht länger von deiner Perspektive limitiert, sie bestimmt deine Reaktionen nicht länger. Sie ist unerlässlich für unsere Befreiung von jeglichen Ursache-Wirkung- und Stimulus-Response-Mechanismen, egal wie hilfreich diese Mechanismen in der Vergangenheit gewesen sein mögen, und man wird frei, so viele Sichtweisen einer Situation zu erproben, wie man kann, um dann auszuwählen, was für uns das beste ist.

Freiheit ist im Grunde eine Frage der Nutzung unserer Ressourcen statt Diktaten zu folgen. Wir haben sehr viele Informationsquellen darüber, was für uns das beste ist, sehr viele Quellen von Wertvorstellungen: Unser genetisches Erbe teilt uns durch Instinkt sowie durch die Konditionierung von Schmerz und Freude mit, was sich während der Äonen der Evolution ausgezahlt hat. Durch Sanktionen, Modelling und symbolisches Lernen teilt uns unsere Gesellschaft mit, was sich während unserer kulturellen Geschichte ausgezahlt hat. Verstand, Experiment und die Erstellung und Erprobung von Modellen korrigiert den Verlauf, der durch Instinkt und soziale Gewohnheiten vorgegeben wird. Das Bewusstsein der Perspektiven wiederum korrigiert und vervollständigt sie alle.

Die Freiheit hat ihre Wurzeln in der Imagination, die wiederum ihre Wurzeln im Traum hat. Imaginationsvermögen ist die Fähigkeit, eine Antizipation der Realität zu erstellen, wobei der Vergleich dieser Antizipation mit der Realität ferngehalten wird. Der Traum ist das natürliche Beispiel. Doch manchmal sehen wir etwas voraus, und die Welt entspricht dieser Antizipation nicht. Für einen sehr kurzen Moment hängt die Antizipation als Bild vor uns. Wir können etwas sehen, das nicht wirklich geschehen ist!

Später lernen wir, diese Bilder absichtlich zu erzeugen und zu erhalten. Wir lernen, etwas zu erwarten – an einer Antizipation über längeren Zeitraum hinweg festzuhalten – wie wir zum Beispiel nach dem Essen ein Dessert erwarten oder ein Diplom am Ende des Studiums. Wir können diese Erfahrungen zu manipulieren lernen, ohne uns darum zu kümmern, wie gut oder schlecht sie dann mit unserer Realität übereinstimmen werden. Wir lernen zu negieren, uns absichtlich das Gegenteil von dem vorzustellen, was wir eigentlich erwarten. Wir fantasieren und handeln so, dass diese Fantasien Wirklichkeit werden, damit erschaffen wir eine Welt, die unseren Erwartungen folgt, statt dass unsere Erwartungen immer nur der Welt folgen.

All dies unter der Voraussetzung, dass wir nicht in unseren Fiktionen versunken bleiben, sondern sie dazu verwenden, unsere Aktualisierung voranzutreiben! Paradoxer Weise ist genau das Talent, das uns befreien kann, dasselbe, das uns auch an die soziale Realität bindet.

Wir sehen, dass obwohl in jedem von uns das Potential zur Freiheit angelegt ist, die Umsetzung der Freiheit enorm vom Lernen abhängt. Kindern muss die Möglichkeit zur Imagination gegeben werden, um negativ (sogar konträr) sein zu können, damit sie ihre eigenen Ziele und Entscheidungen erschaffen und ihnen gemäß handeln können. Soviel scheint klar.

Doch sie müssen auch "Willenskraft" oder Selbstdisziplin lernen, die Fähigkeit, zu warten, Belohnungen aufzuschieben. Sie müssen lernen, innezuhalten, für einen Moment ihre Teilhabe am Strom der Ereignisse zu unterbrechen, um ihre Erwartungen zu überdenken. Diese Pause befreit uns von der Kausalität.

Die Wurzel der Freiheit ist das antizipierte Bild, eingefroren in der Pause, gehalten in der Vorstellung. Es ist auch die Wurzel der Absicht. Es ist der Weg, wie Ziele, Projekte und Schlüsse erzeugt werden. Und wenn jemand auf ein projiziertes Ende hinarbeitet, kann man abseits des Selbst und der gegenwärtigen Zeit sagen, dass man frei ist, sich aller verfügbaren und akzeptablen Mittel bedienen. Wir werden nicht länger von Trieben oder biologischen oder sozialen Bedürfnissen geschoben. Die Notwendigkeit ist verschwunden.

Doch wir sind nicht frei, alles zu tun, was uns in den Sinn kommt. Wir könnten uns vorstellen, dass wir fliegen können, und wir können frei wählen, es zu versuchen. Versuchen wir es aber, indem wir mit den Armen flattern, werden wir versagen. Es gibt sogar Situationen, in denen wir nicht einmal mit den Armen flattern können, wenn wir es wollen!

Aber dies ist keine Kritik der Freiheit, sondern nur ihrer Universalität. Im Grunde macht die Freiheit gar keinen Sinn, wenn sie nicht in Kausalität eingebettet ist. Kausalität sowie andere Qualitäten der physischen Realität erlaubten es den Wright Brüdern, ihren Traum vom Fliegen zu verwirklichen, und sie erlauben es, dass jedes Ziel umgesetzt werden kann.

Ich sage auch nicht, dass Menschen beliebig oder chaotisch sind, nur, dass wir nicht völlig vorbestimmt sind. Ich sage, dass wir im Bezug auf die Abfolge von Ereignissen eine dritte Qualität enthalten: Wir sind kreativ, und das primäre Produkt unserer Kreativität sind wir selbst.

Mitgefühl

Wir sind also Geschöpfe, die zumindest ideell sowohl bewusst als auch frei sind. Das klingt einfach. Die meisten Menschen geben sich sehr viel Mühe, sowohl Bewusstsein als auch Freiheit zu vermeiden, weil diese Qualitäten ein großes Maß an Schmerz und Angst verursachen. Als vorausschauende Geschöpfe erkennen wir, dass wir sehr wenig wissen, auf das wir unsere Entscheidungen gründen können, und die meiste Zeit sind wir machtlos in dem Bemühen, unseren Entscheidungen gemäß zu handeln oder sie umzusetzen.

Und wir stellen fest, dass unser Bewusstsein, unsere Freiheit und unsere Selbst-Aktualisierung letztlich zunichte gemacht werden: Wir sterben. Als Geschöpfe, die auf Ziele hinarbeiten und für Ziele leben, suchen wir nach dem großen Sinn unseres Lebens. Wir können klar erkennen, dass es unser Ziel ist, das Selbst zu erhalten und zu verbessern. Doch auf lange Sicht, ist das Selbst ein eher schlechter Tipp.

Die Lösung des Dilemmas liegt darin, die Selbst-Aktualisierung zu überdenken: Was ist es, das wir zu bewahren und zu erweitern versuchen? Das Selbst im Sinne meines persönlichen bewussten Ego? Oder das Selbst im Sinne dieses spezifischen Körpers? Oder das Selbst im Sinne eines spezifischen Satzes von Erinnerungen oder Bestrebungen? Bei einigem Nachdenken wird klar, dass diese vielleicht unsere unmittelbaren Anliegen sind, aber nicht die größten.

Unserer biologischen Natur geht es zum Beispiel um das Überleben unserer DNA-Schnipsel. Unsere soziale Seite ist hingegen daran interessiert, dass gewisse kulturelle Muster weitergegeben werden. Und diese arbeiten oft so machtvoll in uns, dass wir unsere individuelle Existenz für unsere DNA oder unsere Gesellschaft opfern, oder, um es warmherziger auszudrücken, für unsere Verwandten und Nachbarn.

Doch "Pflicht", ob biologisch oder sozial, ist auch nicht genug. Wir glauben, dass etwas wichtiges überlebt, wenn wir etwas für andere opfern: Selbst wenn wir unser Opfer nicht physisch überleben, gibt es den Gedanken, dass das, was wir wirklich sind - die Bedeutung unserer Existenz, unsere eigentliche Essenz - überlebt, und dass dies ohne unser Opfer nicht überleben würde. Wir glauben, dass wir weniger Wert wären, wenn wir uns entschieden, unser Mitgefühl nicht zu zeigen.

Ironischerweise kann die die Essenz einer Person, die auf abstrakte Weise niemals mitgeteilt werden könnte, egal wie viele Worte zur Verfügung stünden, durch einen einfachen Akt der Freundlichkeit mitgeteilt werden.

Eines der kleinen Dilemmata des Lebens besteht darin, dass nur wir den Dingen Bedeutung verleihen können, folglich können auch nur wir selbst uns Bedeutung verleihen. Sich selbst Bedeutung zu verleihen, ist dennoch so, als arbeite man sich selbst hoch. Basiert diese Bedeutung auf unserem eigenen Sehnen, der eigenen Perspektivität, dann gibt es außerhalb unseres Selbst keine Bedeutung. Es ist purer Narzissmus, eine Art metaphysischer Masturbation – vielleicht vorübergehend befriedigend, doch nicht von langer Dauer.

Wir kommen aus diesem Dilemma heraus, wenn wir erkennen, dass der Sinn des eignen Lebens auch von jemand anderem gegeben werden kann. Darin besteht die große Motivation für einen Glauben an Gott. Doch ich glaube, dass auch wenn man an einen Gott glaubt, diese Erfahrung am tiefsten in der Zuneigung zwischen Menschen erfahren wird.

Simpler ausgedrückt, wenn du gebraucht wirst, wirst du geliebt, und wenn du geliebt wirst, hat dein Leben einen Sinn. Dennoch ist dies nicht als passiver Vorgang misszuverstehen: Wir müssen ein großes Maß an Aufwand darauf verwenden, diese gegenseitige Bedeutung aufrecht zu erhalten. Um gebraucht zu werden, musst du geben und immer weiter geben.

In ihrer Essenz ist Liebe das, was du hast, wenn du dich für die Aktualisierung eines anderen ebenso zuständig fühlst, wie für deine eigene. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass hier wirkliches Verantwortungsgefühl für die Aktualisierung eines anderen Menschen gemeint ist, kein künstliches Theater um das, was andere nach unserem Willen sein sollen. Vieles, wenn nicht sogar das meiste von dem, was als "Liebe" durchgeht, ist eigentlich eine Angelegenheit von Selbstbedienungs-Kontrolle, und nicht wirkliches Mitgefühl.

Mitgefühl hat seine Wurzeln in primitiver Empathie, der autistischen Neigung, die Bedürfnisse oder Schmerzen anderer als die eigenen zu erfahren. Wir beginnen das Leben als "Leben", ohne den Grenzen und Dualitäten des späteren Lebens auch nur nahe zu kommen. Da ist der Schrei jedes Menschen mein Schrei, das Lachen jedes Menschen ist mein Lachen. Das fühlen wir noch immer, wenn wir einen Raum betreten, in dem Menschen Spaß haben und unsere eigene Stimmung sich sofort verbessert.

Leider ist dieses Mitgefühl eine eher fragile Angelegenheit. Wir vermeiden Schmerz und das aus gutem Grund. Folglich macht es Sinn, das primitive Flüstern zu ignorieren, dass uns Schmerzen erfahren ließe, die nicht einmal unsere eigenen sind. Empathie wird den Menschen häufig schon sehr früh in ihrem Leben ausgetrieben. Das Leben ist auch ohne schon hart genug.

Doch die Gesellschaft hat von diesen emphatischen Empfindungen guten Nutzen ziehen können und versucht sie häufig zu unterstützen. In glücklichen Familien mit gesunder Natur und fairen Mitteln, wird Empathie unterstützt und erweitert. Der Schlüssel liegt auf der Hand: Wenn du als Kind geliebt wirst, stehen die Chancen gut, dass du später anderen gegenüber besser in der Lage bist, Liebe zu zeigen.

Bitte beachten Sie, wie sehr sich dieses Mitgefühl von Konventionalität unterscheidet, trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten. Eine konventionelle Person mag sich mitfühlend verhalten, doch sie folgt dabei nur den sozialen Regeln, die sie zu verletzen fürchtet. Obwohl Gesellschaften zu Mitgefühl ermutigen, können sie es dennoch nicht mittels sozialer Regeln erzwingen. Nicht einmal eine idealistische Ideologie (wie es der Marxismus zunächst zu sein schien) kann Mitgefühl erzeugen, genauso wenig kann man Moral per Gesetz erzwingen. Mitgefühl kann nur aus Freiheit hervorgehen. Mitgefühl zu erzwingen jedoch ermutigt ironischer Weise ehr Selbstsucht!

Es gibt noch einen Weg, wie das Mitgefühl in unsere vorangegangenen Diskussionen hineinpasst: Wir müssen uns daran erinnern, dass Freude aus der Bewegung weg von individuellem Bewusstsein hervorgeht, und dass wir unmittelbares Bewusstsein erleben, wenn wir uns so in etwas vertiefen, dass wir vorübergehend die Bindung an unser Ego verlieren. Die vielleicht verbreitetste und natürliche Form das, was man als nicht-selbst-Bewusstsein bezeichnen könnten, zu genießen, ist wenn wir unser individuelles Ego in unserer Liebe zu einem anderen Menschen verlieren, wie zum Beispiel wenn wir in die Augen der geliebten Person oder die eines Babys schauen.

Sie werden sich erinnern, dass die Welt der Qualität sowohl innerhalb als auch außerhalb spezifischer Perspektiven existiert. Wenn wir eine Angelegenheit teilen, wenn unsere Wünsche verschmelzen, dann teilen wir eine Perspektive. Wir teilen Bewusstsein, und zwar nicht in einer parapsychologischen Art und Weise, sondern schlicht und unmittelbar, wenn auch nur kurz. So müssen wir uns niemals alleine fühlen. Und jemand, der über eine hinreichende perspektivische Breite verfügt, mag sich sogar eins fühlen mit der Menschheit oder dem Leben, nicht als ein alleinig intellektueller Ausdruck, sondern als eine unmittelbar erfahrene Wahrheit.


© Copyright 2004, C. George Boeree