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Joseph Kürschner – Biographie

A. Sauer in: Katalog der Sammlungen des zu Eisenach verstorbenen Herrn Geheimen Hofrat Professor Kürschner ... - Leipzig, 1904. - S. III-IX

[...] Als der Sohn wohlhabender Eltern kam JOSEPH KÜRSCHNER am 20. September 1853 in Gotha zur Welt. Er hing an seiner Heimat mit rührender Treue, und es war der größte Stolz seines Lebens, daß sein gnädigster Landesherr, Herzog Ernst II., seine literarische Tätigkeit nahezu seit ihrem Beginnen mit seinem beglückenden Wohlwollen begleitete. Mit dem Zeugnis für den einjährig-freiwilligen Dienst versehen, trat er bei einem Mechaniker in die Lehre, der ihn nach vier Jahren mit günstigem Zeugnis entließ. Dieser Lehrzeit dankt er wohl die ihn auszeichnende Vertrautheit in allen praktischen Dingen. Auf die Dauer ließ sich aber sein Drang zum Studium nicht unterdrücken; er bezog die Universität Leipzig, wo vor allem Friedrich Zarncke stark auf ihn wirkte, dessen warm begeisternden Vorträge er es nach seinem eigenen Bekenntnisse verdankte, daß die Liebe zu den Schätzen der deutschen Literatur wie eine gute Göttin ihn durchs Leben begleitete, und dessen gütiger Förderung er stets eingedenk blieb. Robert Schweichel war der erste Redakteur, der dem blutjungen Anfänger die Spalten eines großen Blattes öffnete; der Neunzehnjährige wurde Theaterkritiker der Gothaer Zeitung. Gleichzeitig versuchte er sich auf dem Gebiete der Theatergeschichte mit einer kleinen Monographie über seinen schwärmerisch verehrten Landsmann Konrad Ekhof (Wien 1872), dem er auch in der Allgemeinen Deutschen Biographie und in mehreren Kunstzeitschriften Aufsätze widmete. Damit hatte er die Lieblingsneigung seines Lebens gefunden. Eine Reihe von Unternehmungen, eine Chronologie für das deutsche Theater 1876, eine Nekrologie 1877 f., ein Jahrbuch 1879 f., schließen sich an. Für die Allgemeine Deutsche Biographie behandelte er viele Schauspieler. Eine Biographie Ifflands zu schreiben, war sein heißester Wunsch. Durch seine Vorliebe für Richard Wagner erhielt dieses Streben neue Nahrung. Er gehörte zu den ersten begeisterten Kritikern der Bayreuther Festspiele (Bayreuther Tagebuchblätter 1876) und begann später, nach dem Muster des Shakespeare- und Goethe-Jahrbuchs, ein Wagner-Jahrbuch herauszugeben, das leider nur einen einzigen Jahrgang erlebte (1886).

In den Jahren 1879-1880 leitete er in Berlin teils neben-, teils nacheinander eine Reihe von Zeitschriften "Literarische Korrespondenz", "Kunst-Korrespondenz", "Literarischer Verkehr"; das offizielle Organ der Gesellschaft "Deutscher Bühnenangehöriger": "Deutsche Bühnengenossenschaft", das Organ der dramatischen Autoren und Komponisten "Neue Zeit". Hier erwarb er sich jene bewundernswerte Geschicklichkeit im Redigieren, die er später bei der Leitung großer belletristischer Zeischriften glänzend bestätigte. Damals bereits auch erfaßte ihn jener leidenschaftliche Eifer für alle Standes- und Berufsfragen, der ihn bis zum letzten Atemzug beseelte.

Die Jahre 1880-1892 verlebte Kürschner in Stuttgart als literarischer Beirat zweier bedeutender buchhändlerischer Firmen, zuerst W. Speemanns und später E. Hallbergers. Eine fieberhafte Tätigkeit setzt ein. Sein organisatorisches Genie entfaltet sich. Sein brennender Ehrgeiz treibt ihn auf der einmal betretenen Bahn immer rascher vorwärts. Weitangelegte Pläne werden entworfen. Gründung folgt auf Gründung; einige seiner Unternehmungen vom größten Glück begünstigt, andere weniger von Erfolg gekrönt; nicht alle Blütenträume konnten reifen: "Der tolle Arbeitswind hat mir von früher Jugend an um die Ohren geblasen und viele gute Vorsätze weggeweht."

Zwei Zeitschriften, die er zu weiter Verbreitung brachte, sind seine eigensten Schöpfungen: das glücklich benannte Familienblatt "Vom Fels zum Meer", das bald die älteren illustrierten Zeitschriften in ähnlicher Art überflügelte, und die als Sammelpunkt für auswärtige Belletristik gestifteten "Fremden Zungen", durch welche er dem naturalistischen Roman, besonders Zolas, in den weitesten Kreisen zur Anerkennung verhalf. Daneben leitete er noch längere oder kürzere Zeit "Über Land und Meer", die "Roman-Bibliothek", die "Illustrierte Welt", den kurzlebigen "Zeitgenossen", den "Sammler", die "Schriftsteller-Zeitung", den "Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekswissenschaft".

Gleichfalls im Anfang der achtziger Jahre begründete er zwei andere Unternehmungen: Die Kollektion Speemann und "Die Deutsche Nationalliteratur" und übernahm die Herausgabe des "Deutschen Literaturkalenders", den er völlig umformte und ausgestaltete. Die Kollektion Speemann war eine geschickt getroffene Auswahl lesbarer Romane und Novellen, auch Selbstbiographien, älterer und neuerer Zeit, etwa nach dem Muster von Kurz und Heyse's Novellenschatz. Erfreulich war der große Druck und der schlichte Einband der handlichen und beliebten Bände.

Die "Deutsche Nationalliteratur" ist der Idee nach Kürschners bedeutsamste und seine eigentlich bleibende Leistung. Er wollte die gesamte deutsche Literatur von den ersten Anfängen bis auf die Gegenwart in den ästhetisch und historisch wichtigsten Werken durch gute, kritisch gereinigte und gemeinverständlich kommentierte Ausgaben allgemein zugänglich machen. Später wurde die Grenze schon mit Goethes Tod festgesetzt. Schon der Entwurf, der einem namhaften Fachmann anvertraut war, entsprach der glücklich gefaßten Idee nicht ganz. Die Durchführung im Einzelnen, die zahlreichen Kräften anvertraut werden mußte, geriet naturgemäß sehr ungleich. Neben schwächeren oder belanglosen Bänden fehlt es aber darin nicht an hervorragenden, ja grundlegenden Leistungen. Es gelang Kürschner, einen Gelehrten von der Bedeutung des Freiherrn Rochus Liliencron zur Mitarbeit zu gewinnen. Verdiente Forscher älterer Richtungen arbeiteten gemeinsam mit den gerade damals in großer Zahl emporgekommenen Anfängern neuer Schule, die hier zum erstenmal mit dem größeren Publikum Fühlung gewannen. Durch 16 Jahre zog sich die Fertigstellung der 220 Bände hin. Kürschner begleitete das Werk in der langen Zeit mit unverminderter Teilnahme, las gewissenhaft Korrekturen, sprang überall mit Rat und Tat bei, war unermüdlich in der Darleihung sonst schwer zurgänglichen Materials, in der Herbeischaffung und Auswahl der bildlichen Beilagen, erwies sich allen fachlich begründeten Vorschlägen auf Vermehrung oder Teilung der Bände zugänglich und übte den oft säumigen Mitarbeitern gegenüber nie versagende Geduld. Er durfte sich der endlichen Vollendung seines Werkes mit stolzer Genugtuung freuen.

Der Literaturkalender, der "Kürschner" schlechtweg, war vielleicht in noch höherem Grade sein eigentliches Nesthäkchen, das ihm viel Verdruß, aber noch größere Freude bereitete. Als er das Buch aus den Händen der Gebrüder Hart übernahm, war es ein schmächtiges Bändchen in Duodez von 122 Seiten; als der Unermüdliche "am Vorabend des großen Kalenderjubelfestes" das Unternehmen mit dem 24. Bande im Stich lassen mußte, war der einzelne Jahrgang trotz der oft unternommenen Entfettungskuren zu einem dicken Oktavband von 1800 Seiten angeschwollen; die 1260 Namen des vierten Jahrgangs hatten sich schon im neunten Jahrgange verzehnfacht und waren im zehnten auf 16000 gestiegen. Dann stellte der "Kalendermann", wie Kürschner sich gleich Hebel und Auerbach gerne nannte, mit der spaßhaften Statistik, die ihn ausrechnen ließ, wieviel ihm etwa ein Autor Zeit koste, leider auch die ernsthafte ein. Kürschner hat es in seinen knappen, meist launigen Vorworten, in denen allein er zu Wort kam, während er sonst "ohne Murren und Knurren den Beißkorb trug", oft hervorgehoben, daß es sich nur um ein farbloses Adressenbuch ohne Parteiabsichten oder Zensurnoten handle, um eine Sammlung von Gesetzen, Verträgen, Vereinsstatuten und sonstigen allgemein nützlichen Materialien und daß möglichste Genauigkeit, "Chronistengewissenhaftigkeit" und Vollständigkeit die höchsten Ziele seien, die er darin anstrebte. Um so heftiger schüttete er die Schale seines Zornes aus über alle die Säumigen, aus Lässigkeit, Gleichgültigkeit, Hochmut oder Unverstand Ablehnenden, aber auch über die Eitlen, die sich selber nicht melden wollten, über die Schwergekränkten und Verletzten, die ein bloßes Übersehen durch die Redaktion zu einem absichtlichen Verschweigen stempelten. Er widerstand aber auch der oft an ihn herantretenden Verlockung, diese Heerschau über alle Kämpfer im geistigen Leben Deutschlands in einen literarischen Hofkalender zu verwandeln, worin nur diejenigen ihren Platz fänden, die von der Woge des Glücks oder der Triebkraft des Talents auf die Höhen geführt wurden, dessen Blätter nur den berühmten Namen aller derjenigen hier vereinigen, die die Feder führten, die (nach seinem eigenen Motto) der Zeit dienten und darum auch ehrlich dienten, auch wenn sie nicht an hervorragenden Posten standen, auch wenn sie am Boden ein klägliches Dasein fristeten.

Und darum sollte dieser Kalender endlich doch mehr sein als ein bloßes Adreßbuch. Er sollte die darin Verzeichneten daran gemahnen, daß sie einem bestimmten Beruf angehörten und daß sie als Berufsgenossen im Sinne der modernen Zeit zusammenzuhalten und sich zu organisieren verpflichtet wären. Kürschner war einer der schneidigsten Vorkämpfer für eine Organisierung des Schriftstellerstandes, und der Kalender war ihm eines der Mittel, um die Saumseligen aufzurütteln aus ihrer Lethargie. Hier wollte er der literarischen Welt Deutschlands zeigen, welch stattliche Macht sie repräsentiere, und nicht nur der Zahl nach; "aber eine Macht, die sich ihrer Kraft noch nicht voll bewußt ist, die noch immer nicht den Grad der Zusammengehörigkeit gefunden hat, der ihr überall da das Recht der Herrschaft einräumt, wo es ihr zukommt." Jede der geplanten oder ins Leben getretenen Schriftstellerorganisationen begrüßte er daher mit sanguinischen Hoffnungen. Sie wurden aber fast immer zu nichte. Gegen Ende seines Lebens schrieb er daher in bitterer Enttäuschung: "Die Feder des Tagesschriftstellers, die jeder Sache unermüdlich dient, hat keine Zeit für unsere, für ihre, für die Berufsinteressen. Obgleich unsere Arbeit die Voraussetzung jedes buchhändlerischen Erfolges bildet, ja recht eigentlich die Grundlage aller durch den Buchhandel erworbenen Vermögens ist, eint uns keine Vereinigung von der Bedeutung des Buchhändler-Börsenvereins, ragt für uns kein schloßartiger Bau wie das Buchhändlerhaus an der Pleiße, fehlt uns all und jedes Mittel, unsere Meinung durchzusetzen, Bestimmungen zu treffen, deren Beachtung wir erzwingen könnten! Das hat etwas Demütigendes, etwas Verbitterndes für den, der warm für den Stand empfindet, dem er angehört." Von einer solchen Organisation, wie er sie ersehnte, forderte er auch die Interessenvertretung ihrer Mitglieder, "die immer die Grundlage auch der idealsten Bestrebungen bleiben wird". Und er war ehrlich genug auszurufen: "In der wirtschaftlichen Sicherung liegt auch unsere Freiheit und es ist Schwachsinn oder Verlogenheit, wenn mit scheinheiligem Augenverdrehen dagegen geeifert wird." Mit demselben Freimut wetterte er aber auch in denselben Vorreden gegen die "Charakterlosigkeit einer Anzahl zeilenschindender Subjekte, die sich jederzeit in die Dienste der Hochmütigen stellen und von dem schließlichen, auch ganz verdienten, Fußtritt im Wohlbefinden ihrer Fortvegetation nicht weiter gestört werden. Darum: mehr Rückgrat, mehr Selbstbewußtsein, weniger Dienstbeflissenheit, keinen Fetzen weißen Papiers zur Verfügung als aus guter Überzeugung für die Sache!" So sind die einzelnen Jahrgänge dieses Schriftstellerlexikons nicht bloß unentbehrliche Hilfsmittel für die Literaturgeschichte der Zukunft, sondern auch wertvolle historische Dokumente für die Entwicklung des Schriftstellerstandes geworden, und der Herausgeber konnte es als höchsten Lohn, als schönstes Resultat seiner literarischen Laufbahn betrachten, daß es ihm vergönnt war, seine Kraft und seine reichen Erfahrungen für diese hohen Ziele einzusetzen.

Ihn aber riß das "prosaisch hastende Leben" ruhelos zu neuen Plänen und Arbeiten fort. Er übertrug seine organisatorische Tätigkeit auf andre mehr praktisch-literarische Gebiete, die ihn von der eigentlichen Schriftstellerei eine Zeit lang abzuziehen drohten. Immer neue Sammel- und Nachschlagewerke ließ er ausgehen. Für seine universalen Interessen war das Konversationslexikon der echte und rechte Tummelplatz. Er wäre der Mann gewesen, dieses Universalnachschlagebuch zu erfinden; da er es in bestimmten Formen bereits vorfand, strebte er wenigstens darnach es möglichst praktisch umzugestalten und allseitig auszubauen. Er verband in der siebenten Auflage von Pierers Konversationslexikon die Encyklopädie der Wissenschaften mit einem Lexikon der wichtigsten Weltsprachen. Er drängte in andern Lexicis alles Wissenswerte auf den engsten Raum zusammen, sorgte durch Handbücher für alle Lagen des Lebens vor und wurde so ein allgemeiner Berater weitester Volkskreise.

Die Energie, mit welcher er für diese Werke zahlreiche Kräfte in seinen Dienst stellte, die Raschheit, Gewandheit, Geschicklichkeit, mit der diese Bände entstanden, die Ruhelosigkeit und Hast, mit der er in die Konkurrenz eintrat und sie schlug, war dem deutschen Publikum ungewohnt. Es steckte etwas von amerikanischem Geschäftsgeist in seiner unbändigen Unternehmungslust. Aber diejenigen wären fehlgegangen, die ihn für einen bloßen Geschäftsmann zu halten geneigt gewesen wären oder schlaue Berechnung als die Triebfeder seiner Tätigkeit hätten ansehen wollen. Eher hätte man ihn bei aller Konsequenz verwegen nennen dürfen. Auch schlugen nicht alle seine Pläne gleichmäßig ein. Überall aber war er mit seiner Leidenschaft, überall mit seinem Herzen dabei. Die Sturzflut der geschäftlichen Unternehmungen war nie imstande, seine Ideale zu ertränken.

Im Jahre 1892 hieß es, Joseph Kürschner habe sich von seinen Geschäften nach Eisenach zurückgezogen. In der Tat verkündigte das vom Sylvestertag 1892 datierte Vorwort zum 15. Jahrgang des Literaturkalenders seinen Freunden, daß der Schnee, der ihm sonst den Ausblick auf die schwäbische Residenz verhüllt habe, ihm jetzt die ehrwürdige Wartburg decke, unter deren Zinnen und Mauern er in der schönen thüringischen Heimat endlich den ersehnten Fleck eigener Erde gefunden habe; "aber" fügte er hinzu: "nicht zum Rasten, wie manche meinen, sondern zu erhöhter Arbeit nach Maßgabe der verliehenen Kraft." Auf einem der herrlichsten Plätze deutscher Erde hatte er sich ansiedeln können, dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Großherzogs von Weimar, der oftmals über den Zaun stieg, um mit seinem "Nachbar" eine gemütliche Stunde zu verplaudern. In den behaglichsten Räumen entfaltete sich nun Kürschners trauliches Familienleben. Hier fanden seine riesenhaft angewachsenen Sammlungen angemessene Unterkunft, hier kamen sie zu voller Geltung. Ein großer stattlicher Bibliothekssaal nahm die Zeitschriften und Sammelwerke auf. Nur die praktisch eingerichteten Geschäftsräume erinnerten den Besucher daran, daß der Hausherr sich noch nicht zur Ruhe gesetzt hatte. Die Verbindung mit einem betriebsamen jüngeren Buchhändler, Hermann Hillger in Berlin, gab seiner Unternehmungslust neuen Schwung. Umfangreiche Sammelwerke historischen, geographischen und andern Charakters ließ er anfertigen; er widmete dem großen Krieg eine aus seinen Sammlungen illustrierte Darstellung u. dergl., er stellte einen Band guter Hausmusik zusammen, ebenso ein Lexikon des deutschen Rechts; alte Pläne wie das "Handbuch der Presse" kamen endlich zur Durchführung; im "Bücherschatz" nahm er die Idee der "Kollektion Speemann" mit Beschränkung auf zeitgenössische Autoren in weit billigerer Ausstattung wieder auf; er ersann neue Mittel und Wege, um die Produkte literarischer Betätigung möglichst großen Kreisen zugänglich zu machen; er suchte den Ring der buchhändlerischen Organisationen zu durchbrechen und Ideen, wie der akademische Schutzverein sie zur Geltung zu bringen sucht, waren ihm nicht fremd. Besonders regen Anteil nahm er an wissenschaftlichen Vereinen, welche ihrerseits die Mittel der modernen Organisation für ihre gelehrten Zwecke zu verwenden suchten. Und auf diese Weise wurde er von der aufreibenden Hetzjagd der buchhändlerischen Massenproduktion wieder zurückgeleitet zum stilleren Verfolgen der wissenschaftlichen Pläne seiner Jugend. Schon durch die Wiener Theaterausstellung das Jahres 1892, an der er werktätigen Anteil genommen und wo er einige seiner kostbarsten Schätze zur Schau gestellt hatte, war seine nie erloschene Liebe zur Theatergeschichte wieder zu hellen Flammen angefacht worden; die "Gesellschaft für Theatergeschichte" hatte an ihm den eifrigsten Teilnehmer und er plante für sie ein Ausgabe von Briefen Ifflands. Ebenso nahm er an der kritischen Ausgabe von Stifters Werken, wie sie die "Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen" vorbereitete, regen Anteil und wollte darin den Briefwechsel Stifters mit seiner Gattin, aus dem er bereits im Jahre 1898 in dem Karl Glossy gewidmeten "Wiener Stammbuch" wertvolle Proben veröffentlicht hatte, selbst herausgegeben. In den Publikationen der "Gesellschaft für Bibliophilen", deren Vorstand er angehörte, wollte er Maler Müllers "Iphigenie" endlich aus dem Dunkel der Verborgenheit hervorziehen. Die Gründung der Bibliographischen Gesellschaft endlich hat er noch in dem Vorwort zum letzten von ihm besorgten Band des Literaturkalenders aufs wärmste begrüßt. Alle diese Pläne und manche andre Aussichten hat der Tod vorschnell zerstört.

Zu seinen Leidenschaften hatte sich in den letzten Jahren eine neue gesellt: der alpine Sport. Allsommerlich eilte er nach Tirol, um dort mit norddeutschen Freunden schwierige Touren auszuführen. Den ganzen Winter verlebte er in der heißen Sehnsucht nach dieser Erholung. Und fern von der Literatur, fern von seiner teuren Arbeitsstätte, fern von seiner ihm innig verbundenen Familie, in den geliebten Alpen mußte er unerwartet auch von dieser Freude Abschied nehmen. Auf einer Wagenfahrt zwischen zwei Bergtouren erlag er am 29. Juli 1902 bei Windisch-Matrei in Tirol einem Herzschlag. In seiner Vaterstadt Gotha wurde seinen letzten Verfügungen gemäß seine Leiche verbrannt.

[...]

Prag, Ostern 1904
A. Sauer.

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